Teil I – Der kleine Knödel
Eigentlich wollte ich ja einen Krimi schreiben. Ich hatte sogar schon eine Idee. Aber dann kam mir doch eine andere Geschichte dazwischen.
Alles begann einen Tag vor Silvester.
Wir wohnten damals in Krumpendorf am Werteres, und ich liebte es, über die Wiesen zu spazieren, denn von dort aus kann man direkt auf die Berge blicken.
An jenem Nachmittag sprang mir ein kleiner Kater vor die Füße. Er miaute herzzerreißend, also streichelte ich ihn eine Weile. Als ich mich wieder aufrichtete, ließ der Kater nicht von mir ab. Maunzend sprang er mir immer wieder auf meine Schuhe und folgte mir schließlich den ganzen Weg bis nach Hause.
Um in unsere Wohnung zu gelangen, hätte ich die stark befahrene Hauptstraße überqueren müssen. Was tun? Ich konnte den Kater nicht einfach mitnehmen – das wäre Kidnapping gewesen. Wenn ich allerdings einfach weiterging, würde er mir bestimmt folgen und vielleicht in ein Auto laufen.
Also gab es nur eine Möglichkeit.
Da das Atelier, in dem mein Mann malte, lag nur ein paar Schritte entfernt und vor allem auf dieser Seite der Straße. Also beschloss ich, erstmal dorthin zu gehen.
Ich werde durch die Eingangstür schlüpfen, den Kater draußen lassen und dann wird er hoffentlich aufgeben und zurück nach Hause laufen, dachte ich. Aber weit gefehlt …
Der Kater blieb maunzend hinter der Glastür zurück. Mein Mann und ich standen am Fenster und beobachteten ihn. Die Minuten vergingen, der Kater war immer noch da. Also ließen wir ihn ins Atelier, wo er zuerst alles gründlich inspizierte und sich dann gemütlich unter der Staffelei meines Mannes einrollte.
Die Polizei riet mir, nicht nur ein Foto auf der Facebookseite der Gemeinde zu laden und Plakate in der näheren Gegend aufzuhängen, sondern auch dort, wo ich dem Kater begegnet war, an allen Türen zu lauten. Also schoss ich eilig ein paar Fotos – was gar nicht so leicht war, weil der kleine Knödel (so nannte ihn mein Mann mittlerweile) hielt einfach nicht still. Ich lud die Fotos hoch, druckte eilig ein paar Zettel aus und dann machten wir uns zu dritt auf den Weg.
Getragen wollte der kleine Knödel nicht. Aber zu unserer großen Überraschung wich er keinen Zentimeter von unserer Seite, sondern folgte uns wie ein Hündchen.


In dem dritten Haus, an dessen Tür wir läuteten, wohnte eine Familie, die gerade die Wohnung für die bevorstehende Silvesterparty putzte. Zwar gehörte der Kater nicht dorthin, aber die beiden Kinder (sie hatten selbst zwei Katzen) waren natürlich sofort begeistert. Vor allem aber hatten die Eltern einen Plan.
„Wir melden den Fund am besten bei der Lavanttaler Tierhilfe. Die holen das Kätzchen ab, sehen nach, ob es gechipt ist, organisieren eine passende Pflegefamilie und schalten dann Anzeigen auf allen wichtigen Kanälen. Wenn jemand das Tier sucht, wird er oder sie bestimmt auf der Seite der Tiersuchzentrale nachsehen.“
Schweren Herzens stimmten wir zu. Es war ein Sonntag, noch dazu vor den Feiertagen, und wir hatten weder Katzenfutter noch ein Katzenklo zu Hause. Eine Pflegefamilie und eine professionelle Suchaktion waren bestimmt die beste Lösung. Trotzdem waren wir traurig, als der kleine Knödel von einem freiwilligen Mitarbeiter der Tierhilfe abgeholt wurde.
Leider hat sich nie nie jemand gemeldet. Der Knödel blieb bei der Pflegefamilie, die ihm wahrscheinlich einen schönen Namen gab – und bestimmt hat er es dort heute sehr gut. Trotzdem habe ich mich damals sehr geärgert, dass wir den kleinen Kater nicht einfach selbst mit zu uns nach Hause genommen haben. Den Roman zu schreiben war für mich die Chance, die Geschichte anders ausgehen zu lassen als in der Wirklichkeit.
*
Aber der kleine Knödel ist natürlich nur ein Teil der Geschichte. Bestimmt fragst du dich, wie ich auf Amelie und Theo gekommen bin. Und wieso es ausgerechnet eine traurige Geschichte geworden ist. Das erzähle ich dir im 2. und 3. Teil meiner keinen Entstehungsreihe.